23.09.2021

Festivalgeschichte

Belcanto Opera Festival
Bild vergrößern
Belcanto Opera Festival

Das Opern- und Musikfestival ROSSINI IN WILDBAD wurde 1989 zur Erinnerung an einen denkwürdigen Kuraufenthalt von Gioachino Rossini 1856 gegründet.

Das Opern- und Musikfestival ROSSINI IN WILDBAD wurde 1989 zur Erinnerung an einen denkwürdigen Kuraufenthalt von Gioachino Rossini 1856 gegründet. Seit Ende 1991 steht es unter der künstlerischen Leitung von Jochen Schönleber, der später auch die Funktion des Intendanten erhielt. Anfangs firmierte es mit dem Untertitel Das musikalische Sommerfest. Seit vielen Jahren heißt es nun mit internationalem Untertitel Belcanto Opera Festival. Das Festival ist weltweit bekannt für seine Neuentdeckungen im Belcanto-Opernrepertoire und für seine Sängerentdeckungen, die zu zahlreichen CD-Produktionen mit Referenzcharakter geführt haben.

Das Festival wird von der Stadt Bad Wildbad veranstaltet. Es erhält Unterstützung vom Land Baden-Württemberg und vom Landkreis Calw. Hauptsponsor ist die AWG Kreis Calw.

 

Pesaro ist das Bayreuth Rossinis in Italien und Wildbad sein deutscher Wallfahrtsort

So schreibt die FAZ (Jürgen Kesting) im Jahr 2008. 1989 gegründet, hat sich "Das musikalische Sommerfest" im deutschen Südwesten, das seit 1992 unter der Leitung von Jochen Schönleber steht, in wenigen Jahren einen internationalen Ruf erarbeitet für die Entdeckung junger Stimmen, unbekannter Werke der Belcanto-Zeit und neuer Werke von Gegenwartskomponisten. Dabei kam es u.a. zu vielbeachteten Uraufführungen von Wolfgang Rihm (zwei Werke!), Stockhausen, Zender, Taralli, Carluccio und Erstaufführungen von Kagel und Kurtág. Seit 2001 firmiert ROSSINI IN WILDBAD als Belcanto Opera Festival. Jochen Schönleber wurde Intendant. Es gelang ihm, große Namen nach Wildbad zu locken. Sir Peter Moores, CBE Richard Bonynge, Dame Joan Sutherland, Alberto Zedda, Gianluigi Gelmetti. Und es wurden viele junge Sänger entdeckt: Pavol Breslik wurde aus dem Chor gezogen, Joyce DiDonato sang ihre erste CD-Hauptrolle in Bad Wildbad (eine immer noch unübertreffliche Cenerentola), Olga Peretyatko machte ihre erste CD in Bad Wildbad, Michael Spyres erfuhr bei einer Audition erstaunt, dass er ein Barytenore sei und wurde in mehreren wichtigen Aufnahmen zum Protagonisten usw.

In Zusammenarbeit mit internationalen Größen wie Alberto Zedda, Raúl Giménez etablierte ROSSINI IN WILDBAD ein Ausbildungsprogramm, das seit 2004 zu einer Schule des klassischen Belcanto weiter entwickelt wurde. Der Gedanke ist bestechend: Parallel zu den Proben von Opernprojekten mit Meistern des Fachs erhalten junge SängerInnen Kurse zu Stilistik und Geschichte des Belcanto, arbeiten mit den Stars des Metiers und kenntnisreichen Lehrern. Die Schule des klassischen Belcanto oder Akademie BelCanto (ABC) soll bei jungen Sängern und Dirigenten das Bewusstsein für die Dimensionen der menschlichen Stimme schärfen und bei der Verfeinerung des Stils helfen.

Die formelle Einrichtung der Akademie BelCanto 2004 gab dem Festival einen weiteren Schub. Schon beim ersten Projekt konnte ein Weltklasse-Cast für eine konzertante Einspielung der Cenerentola gewonnen werden. Alberto Zedda dirigierte, Joyce DiDonato debütierte mit einer CD-Hauptrolle und gab wohl eine ihrer ersten Masterclasses überhaupt in Bad Wildbad. Die Aufnahme bei NAXOS ist immer noch ein Highlight.

Im selben Jahr debütierte der junge Dirigent Antonino Fogliani bei ROSSINI IN WILDBAD. Ab 2004 nahm er fast jedes Jahr in Bad Wildbad eine Rossini Oper auf und wurde so im Jahr 2010 offiziell zum musikalischen Leiter des Festivals.

Das 20. Festival 2008 war eines der ergiebigsten: Nicht nur wurde mit L'italiana in Algeri ein weiterer Klassiker Rossinis mit einem Spitzen-Cast eingespielt, sondern nun konnte endlich Michael Spyres als Otello sein Debut mit einer Barytenore Rolle feiern. Seine Partnerin war Jessica Pratt als Desdemona, auch sie eine Debütantin... Die Aufnahme unter Antonino Fogliani besticht immer noch durch ihr dramatisches Feuer. Bei diesem Festival lernten sich Spyres und Lawrence Brownlee kennen und schließlich führte dies, wie beide in Interviews erzählten, zu der nun so erfolgreichen Tour/CD Amici ed Rivali.

Die Finanzkrise 2008 brachte einen starken Einbruch. Die Peter Moores Foundation (London) musste 2010 ihre Unterstützung vollständig einstellen. Unter den internationalen Opernfestivals war ROSSINI IN WILDBAD stets das mit dem bei weitem geringsten Etat, nun musste es mit noch weniger Geld auskommen als zuvor. 2010 und 2011 mussten mangels Mitteln ganz junge Nachwuchssänger engagiert werden. Das brachte dem Festival aber das Debüt von Serena Malfi ein...

Doch schließlich konnten die Probleme der Finanzkrise konnten überwunden werden. 2012 erlebten spektulär I briganti ("Die Räuber") von Mercadante ihre moderne Erstaufführung. Maxim Mironov brilliert in dieser bemerkenswerten Oper. 2013 wurde das 25. Festival mit einer Monumentalaufführung des ungekürzten Guillaume Tell mit Michael Spyres gefeiert. Die CD erschien bei NAXOS, die DVD bei Bongiovanni wurde Editor’s Choice in den Opera News (New York) und auch die im Jahr 2014 folgende Viaggio a Reims für NAXOS zur feierlichen Einweihung des restaurierten Königlichen Kurtheaters wurde ein voller Erfolg. 2015 aber waren die Mittel erschöpft, doch L’inganno felice, mit hochklassiger Besetzung in einer eindrucksvoll zusammengeborgten Schrottkulisse (Bühnenbildetat ca. 50 Euro) aufgeführt, wurde zu einer nachhaltig erfolgreichen DVD.

2016 wurde das fünfundzwanzigjährige Jubiläum von Festivalintendant Jochen Schönleber und seinem Alter Ego, dem Schweizer Ex-Eisenbahner und Rossini-Spezialisten Reto Müller mit einem wunderbaren Konzert aller Solisten des Festivals gefeiert. Weit über 4000 Euro wurden für karitative und kulturelle Zwecke in Bad Wildbad gespendet. Und bei diesem Festival wurde ein Markenzeichen des Festivals erfunden: Das erste sinfonische Konzert auf dem Turm des Baumwipfelpfad mitten im Schwarzwald fand begeisterte Zustimmung.

Auch das 30. Festival-Jubiläum 2018 konnte mit zusätzlicher Unterstützung von Stadt, Land und der Baden-Württemberg Stiftung groß begangen werden. Gezeigt wurde u.a. die groß dimensionierte Aufführung Moise et Pharaon szenisch mit komplexen Videos, konzertant wurden Zelmira und in einer unvergesslichen Aufführung der Petite Messe solennelle, verknüpft mit einer Uraufführung gespielt. Ein Meilenstein war der erste Video Live-Stream vom Festival mit L’equivoco stravagante aus dem Kurtheater, vorproduziert an der Staatsoper von Russe, Bulgarien. Die gleichzeitige DVD-Aufzeichnung der Inszenierung von Jochen Schönleber führte später zur ersten ICMA Nominierung einer Aufnahme aus Bad Wildbad.

2019 brachte eine bedeutende Neuerung in der ersten Zusammenarbeit mit Passionart Krakau für das neue Royal Opera Festival. Dies änderte die gesamte Probenarbeit des Festivals und schon der erste Versuch führte zu zwei Highlights: Tancredi wurde vermutlich erstmals seit 1813 in der vollständigen tragischen (sogenannten Ferrara-) Fassung gespielt, ganz intim im Kurtheater. Diana Haller in der Titelrolle und Antonino Fogliani beeindruckten besonders und ließen das Publikum ergriffen zurück. In der Trinkhalle hingegen blieb es bei Corradino, cuor di ferro (Matilde di Shabran) bis zum letzten Takt spannend. Der Titel-Sänger musste nach schwerer Erkrankung während der Proben bis nach der Premiere pausieren und so gab es nur einen Versuch zur Aufnahme für diese Vierstunden-Oper: das gelang dem Dirigenten José Miguel Pérez Sierra in grandioser Weise und das Publikum dankte für die packende Wiedergabe mit langen Standing Ovations. Auch diese CD Aufnahme mit Hilfe des SWR gehört zu den Sternstunden des Festivals.

Nach dem Höhenflug erfolgte der jähe Absturz: Im April 2020 musste das 32. Belcanto Opera Festival für den Sommer wegen der Covid-19 Pandemie abgesagt werden. Das Publikum spendete über 44.000 Euro für die plötzlich notleidenden Künstler. Im Sommer wurde dann erstmals ein ROSSINI DIGITAL FESTIVAL ersatzweise durchgeführt: Sieben Opernaufzeichnungen wurden z.T. erstmals gezeigt. Und im Herbst gab es dann mit jungen Solisten der Akademie BelCanto eine weitere Neuerung: Das ROSSINI MINI FESTIVAL zeigte Oper Corona-safe auf der Brücke der Wildline mitten im nächtlichen Schwarzwald: ein einmaliges Erlebnis.

Auch das nachgeholte 32. Festival war 2021 von Corona geprägt: Um auf die Corona-Anforderungen für die Luft-Hygiene zu reagieren, war das gesamte Festival Open Air angekündigt worden. Das war ein verwegener Schritt im Nordschwarzwald und er wurde nicht belohnt in einem Jahr mit katastrophalem Starkregen und dramatischen Überschwemmungen. Etliche neue Spielorte wurden ausgebaut: Doch das originelle Luft- und Sonnenbad im Kurpark konnte nur zweimal bespielt werden und erwies sich als mäßig tauglich. Die weit draußen gelegene Offene Halle hingegen erlaubte unter Dach wenigstens die Rettung einiger Premieren, wenn auch mit tosendem Regen-Lärm. Doch ansonsten war die Akustik hervorragend. Am Ende konnten mit Le Philtre von Auber (Moderne Erstaufführung), La scala di seta und Elisabetta, regina d'Inghilterra drei vorzügliche CD-Einspielungen gerettet werden und das Festival gewann noch einen zauberhaften Konzertort hinzu: In einer Waldlichtung auf dem Sommerberg fand ein sensationelles Konzert mit „waldigen“ Musiken Rossinis und Beethovens Pastorale statt. Das Publikum reagierte entzückt.

Aufnahmen

Bereits 1992 wurde mit unbekannten Kammermusikwerken die erste CD in Zusammenarbeit mit dem damaligen SWF produziert. 1996 stieg das DeutschlandRadio bei Aureliano in Palmyra ein und sendete seither jedes Jahr einmal, zumeist live, aus Bad Wildbad Die Zusammenarbeit mit SDR und SWF, später SWR trug rasch Früchte und führte zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Label NAXOS. Etliche denkwürdige Aufführungen wurden mit Hilfe der Rundfunkanstalten für CD eingespielt, z.B. L'equivoco stravagante, La Cenerentola, L'inganno felice, La donna del lago mit dem „Rossini-Papst“ Alberto Zedda, La pietra del paragone, Torvaldo e Dorliska (Dirigent Alessandro de Marchi) und eine schier übersehbare Zahl von hervorragenden Einspielungen mit Antonino Fogliani, der mit kaum 25 Jahren sein Wildbad-Debüt gab und heute als einer der wichtigsten Belcanto-Dirigenten weltweit gilt: Ciro in Babilonia, Mosè in Egitto, Otello, Guillaume Tell, Il viaggio a Reims, Maometto secondo, L’occasione fa il ladro, Tancredi, Elisabetta, regina d’Inghilterra u.v.a.m. Dann kam José Miguel Pérez-Sierra dazu, ein Talent, das Jochen Schönleber in ganz jungen Jahren in Pesaro kennengelernt hatte. Seine wohl bislang bedeutendste Wildbad-CD ist Corradino cuor di ferro (Matilde di Shabran) von 2019. Auch Luciano Acocella hat etliche Aufnahmen in Bad Wildbad gemacht, darunter Demetrio e Polibio, Adelaide di Borgogna  und Meyerbeers Romilda e Costanza.